Diesen Spruch kennt wohl jeder: Das Leben ist ein ständiges Geben und Nehmen. Er lässt sich leicht auf das Thema Vertriebsstrategie übertragen. Das Customer-Value-Management funktioniert genau nach diesem Grundsatz. Wer dem Kunden etwas gibt, bekommt auch etwas von ihm zurück. Der folgende Artikel bietet Ihnen Empfehlungen, wie Sie Ihre Vertriebsstrategie durch einen systematischen und CRM-gestützten Wertetransfer erfolgreicher gestalten.
Value-from-the-Customer: Warum die klassische Kundenbewertung egoistisch ist
Die Art, wie wir Kunden bewerten und daraus Prioritäten für den Einsatz von Betreuungsressourcen ableiten, ist eigentlich recht egoistisch. Denn die klassische Kundenbewertung erfolgt nach der Devise: „Sage mir Kunde, was du mir gibst – an Umsatz, Profit oder Lieferanteil – und ich sage dir, was ich als Lieferant für dich tue.“ Danach ist der Kunde der wichtigste, der dem Verkäufer die meisten Vorteile bringt.
Umsatz-ABC-Analyse nicht als einziges Kriterium heranziehen
Diese Art der Prioritätensetzung ist für die Vertriebsstrategie besonders nachteilig, wenn Sie dabei nur auf die Umsatzerlöse schauen. Und wenn dann ein Ranking dieser Umsatzanteile eine Prioritätsstruktur nach der klassischen Umsatz-ABC-Analyse schafft. Ganz davon abgesehen, dass der Umsatz keinesfalls das einzige Bewertungskriterium für eine Kundenwichtigkeit bedeutet – wiegt viel schwerer, dass der Umsatz eine reine Ergebnisgröße ist, die am Ende des Sales-Cycle liegt. Das Geschäft ist längst gelaufen. Die entscheidenden Stellhebel aber, die zur Auftragsvergabe führen und zeitversetzt Umsatzerlöse bewirken, bleiben außer Acht. In dem Blog-Artikel „Vertriebsstrategie und CRM für die sales-driven Company“ wurde bereits auf dieses Manko der klassischen kaufmännischen Kundenbewertung wurde hingewiesen.
Schwachstellen der ABC-Analyse
Die Fragwürdigkeit der konventionellen Kundenbewertung wird im Zusammenhang mit einigen kritischen Fragen deutlich. Zum Beispiel:
- Wie ist ein Neukunde zu bewerten, der sich zu einem Umsatzriesen entwickeln könnte, aber mit einer Kleinbestellung startet?
- Wenn er als C-Kunde bewertet wird, gilt dann: Einmal C-Kunde, immer C-Kunde?
- Sind Neukunden überhaupt C-Kunden?
Über klassische Kundenbewertung hinausgehen
Auf den Punkt gebracht, heißt das folgendes: Wenn Sie sich vorstellen, dass die Geschäfte in Zukunft so wie in der Vergangenheit laufen, dann ist die klassische Kundenbewertung auf Bestandswahrung aus. Sogenannte A-Kunden werden vorrangig besucht, in der Hoffnung, dass sie auch weiterhin die Bestellführer sind und Ihnen als Lieferanten treu bleiben. Aber die Fragen nach zukünftigen Umsatz- und Ergebnispotenzialen und danach, ob ein Lieferant einseitig oder mit dem Kunden gemeinsam neue Potenziale schaffen kann, bleiben bei der klassischen Kundenbewertung außer Acht. Sie sind aber für die Vertriebsstrategie immens wichtig.
Value-to-the-Customer:
Wie Sie für Win-Win-Beziehungen sorgen
Der Shareholder-Value beschreibt den Wert einer Kapitalanlage für den Anleger. Kann man nicht nach der gleichen Denkweise einen „nicht-egoistischen“ Kundenwert definieren? Der Customer-Value wird so zum Wert des Lieferanten für den Kunden. Demzufolge ist derjenige Kunde der wichtigste, dem Sie als Lieferant die größten Vorteile bieten können. In jeder Sportart ist es normal, dass junge, „hungrige“ Spieler die meiste Zuwendung Ihres Trainers erhalten, obwohl sie noch nicht den Leistungsstandard der Routiniers erreicht haben.
Der Weg zur Win-Win-Beziehung
Durch eine Value-to-the-Customer-Strategie bei der Bestimmung von Kundenprioritäten wird die Grundlage für Win-Win-Beziehungen geschaffen. Denn der Verkäufer geht davon aus, dass er durch seinen Potenziale-aufbauenden Wertetransfer – wir können auch sagen, durch seine Investitionen in den richtigen Kunden – langfristig eine hohe Kundenbindung erreicht. Wenn alles gut geht, rechnet sich der Wertetransfer zum Kunden, so, wie sich Investitionen in Maschinen oder neue Produkte rechnen.
Jeder bekommt, was er verdient
Die phantastische Konsequenz: Ein Kundenstamm ist nicht vorbestimmt. Er ist flexibel und kann proaktiv beeinflusst werden. Durch gezielten Wertetransfer kann der Verkäufer Kunden entwickeln, dadurch die Kundenwerte steigern und somit – in der summarischen Betrachtung – den Wert des gesamten Kundenstamms steigern. Auf den Punkt gebracht: Ein Anbieter hat die Kunden, die er verdient.
Die Grundlage des Customer-Value-Managements:
Mehr Transparenz im Servicebereich
Zunächst ist eine wichtige Unterscheidung zwischen Service- und Dienstleistungen zu treffen. Bei den Mehrwerten, von denen hier die Rede ist, handelt es sich um kostenfreie oder vom Kunden als signifikant preiswert empfundene, immaterielle Leistungen. Dienstleistungen dagegen werden vermarktet, stellen Kosten dar, sind ein Geschäft. Vieles, was uns in der bunten Konsumwelt als wunderbare Serviceleistungen feilgeboten wird, hat einen stolzen Preis. Zahlreiche als Kundenvorteile herausgestellte Services sind im Grunde knallhart vermarktete Dienstleistungen. So sind Service-Center im Grunde Dienstleistungs-Center.
Die Top-10 der Serviceleistungen
Als erstes gilt es, die erbrachten Serviceleistungen zu identifizieren und zu parametrisieren und dann den Kunden zuzurechnen. In Steuerberatungsbüros ist es alltägliche Praxis, die Arbeitsleistungen für Kunden in Zeittakten „akribisch“ zu vermerken. Dieses Vorgehen ist auf die Servicebereiche zu übertragen. Es gilt, Transparenz in die Fülle oft unbemerkter, kostentreibender und von den Kunden weder bemerkter noch wertgeschätzter Serviceleistungen zu bringen. Welche Kunden erhalten welchen und wieviel Werttransfer –und was erhalten wir vom Kunden zurück?
Zu den Top-10 dieser Mehrwertleistungen gehören:
- Allgemeine Recherche- und Hilfeleistungen für den Kunden durch den Innendienst
- Technische Informationen und Tipps
- Schulungen und Seminare
- Marktinformationen für den Kunden mit Online-Service
- Auftragsänderungen
- Inbetriebnahmeleistungen
- Hilfe für den Kunden bei technischen Problemen: kostenfreie und schnell erreichbare Hotline
- Optimierung der Anlagen und des Produkteinsatzes beim Kunden, auch durch digitale Fernwartung
- Gemeinsame Marktforschung mit dem Kunden
- Gemeinsame Produktentwicklung mit dem Kunden: Lead-User-Status
Customer-Integration als Ziel der Serviceleistungen
Was als einfache und oft unscheinbare Unterstützungsleistungen beginnt, endet bei der hohen Kunst der Kundenbindung: Customer-Integration. Prozesse und Marktbearbeitung von Lieferant und Kunden verschmelzen zu einer Einheit – nicht selten auch durch gemeinsame Firmengründungen.
Mehrwert- und Serviceleistungen ins CRM integrieren
Sicher wird es firmenspezifisch viele Gratisleistungen für Kunden geben. Strukturieren und parametrisieren Sie alle diese Mehrwertleistungen und verlinken Sie sie in einer Art Mehrwert-Buchführung mit den Kunden. Natürlich geht das nicht ohne CRM. Eine entsprechende Funktionalität bieten die CRM-Häuser aber nicht im Standard an. Erarbeiten Sie diese folglich in Workshops und nehmen Sie sie in das CRM-Lastenheft auf.
Benötigte Funktionen sind zum Beispiel, dass Sie einen Kunden im CRM aufrufen und ein Cockpit öffnen können, in dem alle in einem Zeitraum erbrachten Serviceleistungen mit Datum und Hintergrund dokumentiert sind.
Im letzten Schritt kommt die Betriebswirtschaft ins Spiel. Den einzelnen, typischen Serviceleistungen können Standardkosten zugeordnet werden. Überschlägige Kostenansätze reichen. Dann wissen Sie nicht nur, welche Services Sie für einen Kunden erbracht haben, sondern Sie erkennen auch einen groben Kostenrahmen für Ihre „Serviceinvestitionen“ für die Kunden.
Die Arbeitsplattform: Die Customer-Value-Kundensegmentierung
Und nun wird es spannend! Sie können Umfang und Kosten der Serviceleistungen beziehungsweise die des Wertetransfers an die Kunden in Beziehung zum klassischen Kundenwert setzen und daraus Vertriebsstrategien ableiten. In der einfachsten Form lassen sich vier Kundensegmente mit typischen strategischen Stoßrichtungen unterscheiden:
- Niedriger klassischer Kundenwert – niedriger Customer-Value:
Diese Kundengruppe dürfte unkritisch sein. Opportunistisches Verhalten im Vertrieb ist angebracht. Der Kunde beschenkt Sie nicht wie ein König, wird aber auch nicht wie ein König behandelt. - Niedriger klassischer Kundenwert – hoher Customer-Value:
Hier gerät eine Problemgruppe in den Fokus. Sie bewerten diesen Kunden nicht hoch, verwöhnen ihn aber mit kostenfreien Serviceleistungen. Es ist angebracht, mit den Kunden in ernste Verhandlungen einzutreten. Denn sonst rechnet sich dieses Kundensegment dauerhaft nicht. - Hoher klassischer Kundenwert – niedriger Customer-Value:
Bei dieser Kundengruppe müssen Sie hinterfragen, ob es nicht doch versteckte Win-Win-Potenziale gibt. Ansonsten: Nicht zu viel anbieten. Bringen Sie keine Mehrwertleistungen ins Spiel, die der Kunde gar nicht erwartet. Auf der anderen Seite müssen Sie aber kritisch hinterfragen, ob Sie genug für die Kundenbindung tun. Oder ob Sie es bewusst darauf anlegen, den Kunden zukünftig stärker zu begeistern. - Hoher klassischer Kundenwert – hoher Customer-Value:
Dies ist die Gruppe der angesprochenen Investitionskunden. Hohe Mehrwertleistungen des Lieferanten schlagen sich in Kundenbindung und nachhaltigen Folgegeschäften nieder.
Value-from-the-Customer und Value-to-the-Customer sind eng miteinander verknüpft
Natürlich ließe sich diese Segmentbildung noch verfeinern, in deutlich mehr Gruppen. Doch es ist ratsam, mit dem Kundenwert-Management überhaupt erst einmal auf einfache Weise zu beginnen. Viele Unternehmen haben zu wenig Durchblick hinsichtlich Art und Umfang ihrer Serviceleistungen für die Kunden. Schaffen Sie darum bei den Mitarbeitern im Innen- und Außendienst erst ein Bewusstsein für das Zusammenspiel zwischen dem Value-from-the-Customer und dem Value-to-the-Customer. Dabei sollte allen klar sein: Die beiden gehören zusammen. Sie sind die beiden Seiten des Geben-und-Nehmen-Prinzips, das wirtschaftliches Handeln auszeichnet.
Die Umsetzung: Mehr Preisspielräume durch Mehrwerte-Argumentation
Das aufgezeigte Customer-Value-Management wird nur dann seine kundenbindende und potenziale-schaffende Wirkung entfalten, wenn der Vertrieb die geleisteten und noch möglichen Mehrwertleistungen für die Kunden in die Vertrags- und Preisverhandlungen einbringen kann. Schulen Sie also Ihre Verkäufer und stärken Sie deren Argumentationskompetenz. Auf der einen Seite geht es darum, auf sublime und diplomatische Art dem Kunden die Konsequenzen aufzuzeigen, die entstehen, wenn kostenfreie Serviceleistungen zurückgeschraubt werden. Viel wirkungsvoller ist es auf der anderen Seite, wenn Verkäufer die Chancen auch nachweisen können, die sich durch kostenlose Serviceleistungen für den Kunden eröffnen.
Bieten Sie Ihren Kunden einen echten Mehrwert
Die Kundenbetreuer sollten in der Lage sein, Win-Win-Partnerschaften mit den Kunden auszuhandeln. Die ganze Diskussion zeigt auf, warum gute Vertriebler so stolz auf ihren Job sind. Es geht ihnen nicht darum, den Kunden etwas zu verkaufen, was sie nicht wollen. Ihre Vertriebsstrategie zielt vielmehr darauf ab, Kunden die Arbeit zu erleichtern und wertvolle Beiträge für den Erfolg des Kunden bei dessen Kunden zu leisten. CRM sorgt hierzu für die notwendige Transparenz und Faktenbasis.