Gerade in Unternehmen, deren Geschäft sehr stark von Entwicklungsaufträgen geprägt ist, kommt es bei der Schnittstelle zwischen Vertrieb und Produktentwicklung immer wieder zu Problemen. Mit diesen Empfehlungen bauen Sie eine langfristige und intelligente Vertriebsstrategie für Ihr Unternehmen auf und schlagen eine Brücke zwischen dem Vertrieb und der Entwicklung.
Was bedeutet „technical-driven“ eigentlich?
Viele Unternehmen sehen sich technikgetrieben. Und das sind wirklich viele. Ein Land wie Deutschland, ohne Rohstoffe und ohne besondere Bodenschätze, ist darauf angewiesen, mit Maschinen, Anlagen und technischen Dienstleistungen die Märkte zu bedienen. Zwar haben Marketingleute oft die flotten Markensprüche auf den Lippen und die Verkäufer behaupten, dass die Kunden ihnen gehören. Doch es sind in vielen Märkten die Entwickler, die im Hintergrund die Drähte ziehen und das wettbewerbliche Überleben sichern. Das beste Marketing nutzt nichts, wenn die Produkte nicht stimmen.
So ist es kein Wunder, dass an der Schnittstelle Vertrieb und Produktentwicklung immer wieder Probleme beklagt werden:
- Der Vertrieb beklagt: Ihr Techniker entwickelt Produkte, die unsere Kunden nicht brauchen. Und wenn wir bestimmte Produkte benötigen, dann seid ihr in der Entwicklung zu langsam.
- Die Entwicklung klagt: Wir rüsten euch im Vertrieb mit so schönen Produkten aus, doch ihr könnt nicht verkaufen. Und wenn wir fragen, was braucht denn euer Markt, dann habt ihr oft keine Antwort parat.
Wie kann man sich die diesen Klagen zugrunde liegende Problematik veranschaulichen? Im Prinzip geht es darum, die Karten der Kundenkartei mit den Karteikarten der Produktentwicklung (Teile, Produkte, Systeme) zu verbinden.
Symbolisch sollte eine Brücke den Vertrieb mit der Entwicklung verbinden.
Diese Verbindung ist eine Integrationsaufgabe. Und damit sind wir wieder bei CRM angelangt. CRM bietet die Werkzeuge, um die Vertriebstätigkeit mit der Arbeit der Entwicklungsabteilung zu verbinden. Vorausgesetzt, man verfolgt eine intelligente Marktstrategie für eine integrierte Vertriebs- und Entwicklungspolitik.
Aufgabe Produktklassifikation
Wir gehen im Folgenden davon aus, dass eine Kundenanfrage zumeist mit einer spezifischen technischen Lösung verbunden ist. Es geht hier nicht um nobelpreisfähige Innovationen. Nein, es geht um die Flut von Kundenanpassungen, um Baukastenlösungen für die Klima- und Kältetechnik, Dichtungstechnik, Wärmedämmung, Fabrikautomatisierung oder Industriebau. Ein Angebot kann erst dann erstellt werden, wenn Techniker mit Zeichnung und Spezifikationen aus einem vorhandenen Schatz von technischen Teilen und Artikeln die Collage zusammenstellen, die der Kundenanforderung entspricht – mit überschaubaren Produktanpassungen. Im Grunde bekommt jeder Kunde eine auf ihn zugeschnittene technische Lösung.
Der Trick liegt nun darin, einer derartigen technischen Kundenlösung einen Produktschlüssel (Teileschlüssel) beizuheften, der an das CRM übergeben und mit dem Lead oder Kunden verlinkt wird. Dadurch werden die Vorgänge im Vertrieb und in der Entwicklung transparent. Sucht man im CRM nach einem Teileschlüssel – für die Fachleute sei gesagt: auf beliebigen Aggregierungsebenen – dann erhält man eine Auflistung aller Entwicklungsvorgänge, in denen dieses Teil oder Produkt aktiv ist, nebst den zugeordneten Angeboten mit den verlinkten Leads und Kunden. Sucht man nach einem Kunden oder einer Kundengruppe, dann filtert das System alle Entwicklungsvorgänge heraus, die für diese Kunden laufen, nebst den verlinkten Teilen.
Aufgabe Kundenklassifikation
Es ist wichtig und spannend, neben den üblichen kaufmännischen Parametern zur Kundenbewertung (Kundenpriorisierung) wie etwa Umsatzklasse, DB-Klasse, Grad der Kundenbindung und Innovationsbereitschaft auch Größen zu beleuchten, die einen direkten Bezug zu den Entwicklungsvorgängen herstellen.
Das können sein:
- Innovationsbereitschaft
- Potenzial für After-Sales Dienstleistungen
- Beratungsbereitschaft
- Cross Selling Potenzial
- Technische Kompetenz auf Kundenseite
Jetzt können wir die Integrationsphilosophie von CRM verwirklichen: Kundenschlüssel und Produktschlüssel sind im CRM verbunden. Das Herausfiltern von Kunden führt zu den laufenden oder bereits abgewickelten Teile- oder Produktentwicklungen. Das Suchen und Filtern von Entwicklungsvorhaben zeigt den Produktentwicklern die betroffenen Kunden. Der Vertrieb blickt im CRM auf die Entwicklung und erkennt die Entwicklungsprioritäten. Die Techniker behalten bei ihren technischen Lösungen immer auch die Kunden im Fokus – und durch den Kundenschlüssel auch die Kundenprioritäten.
Neue Aufgaben für die Marktforschung
Sofort wird klar, welche Chancen sich hieraus für das Marketing als Lead-Generator ergeben. Einem Lead lassen sich Produktinteressen zuordnen: Ein Kunde könnte an Variante xy oder an der Gerätekombination yz interessiert sein. Laufen dann aktuelle Entwicklungsprojekte in diese Richtung, können auf Knopfdruck Interessenten oder Bestandskunden herausgefiltert werden, die an der Entwicklung und dem Produkt interessiert sein könnten.
Licht aus – Spot an: Die Angebotsabteilung im Fokus
In das Scheinwerferlicht geraten nun diejenigen Kollegen, die aus den von Vertrieb und Kunden eingehenden Anfragen die Angebote erstellen. Das können natürlich auch technische Verkäufer sein. Dieses Team erhält eine geradezu strategische Bedeutung.
Voraussetzung: Es müssen klare Regeln formuliert sein, wann eine Anfrage den Status eines Entwicklungsprojektes erhält.
Ein Angebot kann ja nur dann freigegeben werden, wenn der Teile-/Produktschlüssel vollständig codiert ist. Ist die Teilenummer noch nicht vollständig bestimmt, dann sind noch technische Abklärungen erforderlich.
Auf diese Weise können Geschäftsführung oder Entwicklungsleitung prioritäre Teileschlüssel vorgeben, die ein Angebot im CRM automatisiert als prioritäres oder strategisches Entwicklungsprojekt klassifizieren. Dadurch wird ein gezieltes Vorantreiben von Innovationsprodukten möglich.
So kann festgelegt sein: Immer wenn bei einem Angebot eine Teilenummer mit den ersten beiden Stellen 75— beginnt, dann soll automatisch ein prioritäres Entwicklungsprojekt oder Innovationsprojekt angestoßen werden. Die Angebotsnummer steht dann für ein Entwicklungsprojekt, das mit einem Lead oder Kunden verbunden ist.
Andererseits mag gelten: Alle Angebote, bei denen die Teilenummern mit 1, 2, 3, 4, 5 oder 6 beginnen, werden aus dem Bestand bedient, bekommen also nicht den Status von Entwicklungsprojekten oder prioritären Innovationsprojekten.
Innovationstätigkeit im Sinne eines Opportunity-Managements steuern
Im Grunde ergibt sich eine 4-Felder-Struktur mit den Spalten Entwicklungsprojekt / kein Entwicklungsprojekt und den Zeilen Standard-Entwicklung / Innovationsentwicklung. So können bestimmte Teileschlüssel als Abfrageparameter für Innovationsprojekte vorgegeben sein oder die Angebote sind nach Wichtigkeitsparametern zu verschlüsseln, etwa Angebotsvolumen, Potenzial für Folgekäufe, Gewinnklasse, mit dem Produkt verbundene Cross Selling Chancen oder Grad der Komplexität der Entwicklungsarbeit. Dadurch wird die Idee des Opportunity-Managements verwirklicht.
Nicht alle Teile- oder Produktentwicklungen haben den Stand von Geschäftschancen, sprich Opportunites. Die Entwicklungsprioritäten können mit Hilfe von Angebotsbewertungen gesteuert werden. Viele Opportunities können dabei vom System automatisiert identifiziert werden.
Beispiel: Liegt ein bestimmter Teileschlüssel vor und umfasst ein Angebotsvolumen mehr als 100 TEURO, dann wird die mit dem Angebot verbundene Produktentwicklung auf den Status Opportunity gesetzt. In dem Moment, in dem eine Anfrage digitalisiert in ein Angebot überführt wird, setzt das System den Prioritätsstatus für die Entwicklung. Gleiches gilt für Direktaufträge der Kunden, die ohne Angebotserstellung in das ERP laufen, denn das werden in der Regel keine Entwicklungsprojekte sein.
Technik und Vertrieb in einem Boot
Im Standard-CRM ist es üblich, dass ein Kunde einem Verkäufer und / oder einer Person oder einem Team im Innendienst zugeordnet ist. Oft sind dies regionale Zuständigkeiten: alle Leads und Kunden im PLZ-Bereich 8 werden von Herrn Maier betreut.
Bei einer Technik-getriebenen Unternehmung sollte es darüber hinaus möglich sein, auch die Anwendungstechnik und Produktentwicklung flexibel in die Verantwortung für Angebote und die beschriebenen Entwicklungs- und Innovationsprojekte zu nehmen. Das kann automatisiert geschehen: Etwa immer wenn ein Teile-/Produktschlüssel mit 75 beginnt, wird das Angebot / das Entwicklungsprojekt mit Entwicklungsteam E oder mit Herrn Müller verlinkt.
Auch bedingte Verteilungen von Verantwortungen sind möglich: Immer wenn die Teilenummer mit 75 beginnt und das Angebotsvolumen 100 TEUR übersteigt, dann soll das Entwicklungsprojekt den Rang einer Opportunity erhalten und einem Innovationsteam zugeordnet sein. Natürlich lassen sich die Verantwortlichkeiten in der Entwicklung bei der Angebotsbearbeitung auch händisch setzen.
Was immer sich logisch darstellen lässt, kann ein CRM umsetzen. Der Punkt ist nur: Das System will gerne arbeiten, wartet aber auf die Regeln. Es zeigt sich wieder: Erst müssen eine intelligente Vertriebsstrategie und eine effiziente Vertriebssteuerung erarbeitet werden, dann erhält das CRM via Lastenheft die wettbewerbsüberlegenen Anforderungen.
Eines sollte klar sein: In dem Moment, in dem das Angebot steht und als Standard-Entwicklung oder Opportunity im CRM dokumentiert ist, sind auch die Verantwortlichkeiten und Prioritäten auf Seiten der Entwicklungsabteilung festgeschrieben und transparent.
Vertrieb und Entwicklung sitzen nun – im Dienste des Kunden – in einem Boot.
Sie haben jetzt gemeinsam Zugriff auf die Kundenakte und die Kundenhistorie. Sie können den vom CRM überwachten Entwicklungs- und Akquisitionsprozess überschauen und steuern – durch Aufgaben- und Terminverteilungen, Qualitätsanforderungen, Kundenkontakten, durch Zeitvorgaben, Eskalationen und Kennzahlen.
Der Kunde ist König – CRM ist die Kutsche
… in der wir unsere Kunden fahren. Denn auf die beschriebene Weise arbeitet eine Technik-getriebene Unternehmung höchst kundenorientiert. Die symbolhaft dargestellten Karteikästen für Kunden und Produkte vermischen sich. Kundenorientierung wird zur gelebten Praxis auch für die Entwicklungsabteilung. Und die Innovationspolitik dringt in den Vertrieb vor.