Unternehmerisches Handeln ohne Strategie – das ist doch so, als ob man ein Schiff rudert, aber nicht weiß wohin? Mit den Empfehlungen unseres Gastautors Prof. Dr. Peter Winkelmann bauen Sie eine langfristige und intelligente Vertriebsstrategie für Ihr Unternehmen auf. Dieser Beitrag zeigt, wie Sie strategisch wirkungsvoller im Markt agieren können, wenn Sie Vertriebsstrategie und CRM unter die Obhut des Marketings stellen.
CRM: Oft ein Fremdwort für das Marketing
Wenn (in technischen Industrien – weniger in der Markenartikelindustrie) beklagt wird, dass Vertrieb und Marketing nie so richtig Freunde geworden sind, dann gilt das ebenso für die Beziehungen von Marketing und CRM. CRM hat in 80 Prozent aller Unternehmen den Stellenwert einer Vertriebssteuerung. Und das Marketing hat Schwierigkeiten, bei Datenfeldern, Klassifikationen, Funktionalitäten, Prozessen und Kennzahlen einen festen Halt zu finden.
Dieser bedauernswerte Zustand ist nicht zuletzt von der Marketingwissenschaft zu verantworten. Marketingprofessoren und Gurus sehen das Marketing vor allem in einer Marken- und Kundenverwöhn-Verantwortung. CRM dagegen verbindet Kunden-, Prozess- und Profitgrößen zu einem Steuerungsinstrument.
Die strategische und die operative Seite des Marketing
Das Marketing in Deutschland leidet trotz einer jahrzehntelangen Tradition noch immer an einer Begriffsunklarheit. Gerade technische Unternehmen (und die Öffentlichkeit) stellen das Marketing zu oft einseitig in die Ecke von Werbung, Marke und Image. Beim genauen Hinschauen jedoch umfasst das Marketing zwei Ebenen:
Ebene 1: Das strategische Marketing
Das strategische Marketing ist mit dem Meffert’schen Begriff der marktorientierten Unternehmensführung gleichzusetzen. Marketing steht als Begriff für die Markt- und Kundenstrategie. Der Marketing-Mix ist die Mutter aller Marktinstrumente. Der Vertrieb – an den Hochschulen oft zur Distributions- oder Kommunikationspolitik abgewertet – ist ein Kerninstrument des Marketing-Mix; im klassischen Ansatz neben der Produkt-, der Preis- und der Kommunikationspolitik.
Ebene 2: Das operative Marketing
Das operative Marketing umfasst alle Aufgaben, die in der Marketingabteilung und bei externen Marketingdienstleistern anfallen. Also etwa die Marktkommunikation, das Produktmanagement, das Messewesen, Image- und Markenpolitik. Nach dieser operativen Sichtweise arbeiten Marketing und Vertrieb auf Augenhöhe konstruktiv zusammen; nicht selten von einer Hand geführt – vom Marketing- und Vertriebsleiter.
Wenn wir uns nun fragen, was eine Marketing-getriebene Unternehmung ausmacht, dann stehen bei dieser auf jeden Fall strategische Ziele und Maßnahmen im Vordergrund. Eine marketing-driven Company agiert also in einem hohen Maße strategiegetrieben. Aber auch operative Marketingaufgaben sind bei einer marketing-driven Company besonders kompetent ausgeprägt. Demzufolge sind die Marketinginformationen, -prozesse und Aufgaben der Marketingabteilung auch im CRM stark präsent.
Strategisches Marketing
Teil 1: Kundensegmentierung treibt den Vertrieb
Ein marketinggetriebenes Unternehmen verfolgt eine konsequente Kundensegmentierung. Strategisch besonders mächtig ist eine Segmentierung (Priorisierung) nach Kundenwerten. Alle Bestandskunden werden nach einem Prioritätsschlüssel klassifiziert. Der Kundenstamm lässt sich nach Wertigkeitsgruppen aufteilen. Ein modernes CRM-Konzept ermöglicht dann die folgende Arbeitsteilung von Marketing und Vertrieb im Sinne einer vertikalen und horizontalen Segmentsteuerung:
- Das Marketing beobachtet vertikal die Segmententwicklung und sorgt dafür, dass der Wert des Kundenstamms beständig wächst. So soll sich der durchschnittliche Kundenwert in jedem Segment dynamisch weiterentwickeln, wie auch der Mittelwert über alle Kunden.
- Der Vertrieb bekommt die Aufgabe, Kunden mit definierten Eigenschaften horizontal in das nächst höhere Wertigkeitssegment zu entwickeln: Das kann ein bestimmtes Potenzial, eine Umsatzklasse, eine Profitklasse, eine gewisse Innovationsbereitschaft oder eine Kundenbindungsklasse sein. Das Marketing gibt dem Vertrieb folglich Zielkunden vor.
So wird das Marketing einer strategischen und der Vertrieb einer mehr operativen Aufgabe gerecht. Völlig klar, dass eine derart komplexe Kundensteuerung ohne die Transparenz und Funktionalität von CRM nicht zu bewerkstelligen ist.
Teil 2: Marketing überwacht den Verkaufstrichter
Der Fertighaushersteller WeberHaus erhielt 2007 den CRM-Best Practice Award für seinen erfolgreichen Schwenk von einer sales-driven (im speziellen Fall Katalog-driven) zu einer marketing-driven Company. Das Marketing unter der Leitung von Klaus-Dieter Schwendemann übernahm die Aufgabe der Kontrolle und Steuerung des sogenannten Verkaufstrichters (Sales-Funnel). Ausgangspunkt von Vertriebsaktivitäten ist stets eine Lead-Vorqualifizierung. Der Vertrieb darf nur bei vorbewerteten und freigegebenen Leads aktiv werden und spielt der Marketingabteilung die gewünschten Informationen zu.
Diese Vorgehensweise ermöglicht eine permanente Kontrolle des Angebotswesens und der Angebots-Erfolgsquote (Conversion-Rate, Hit-Rate).
Teil 3: Produktmanagement als Schnittstelle zwischen Kunde, Vertrieb und Produktentwicklung
Eine Produktentwicklung, die am Markt vorbeiarbeitet oder zu spät auf Trends reagiert, wird zum Kostentreiber. Im schlimmsten Fall, bei einer einseitig technikgetriebenen Unternehmung, muss der Vertrieb stets das verkaufen, was die Technik kreiert hat.
Eine marketing-driven Company ist dagegen sorgsam darauf bedacht, Produkt- und Serviceangebot frühzeitig auf die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden hin auszurichten. Dadurch wird der Sales Cycle zeitlich sehr weit in den Pre-Sales und in den After-Sales Bereich gespannt.
Es kommt also darauf an, ein Produktmanagement zu installieren, das als Koordinator von Kunde, Vertrieb und Produktentwicklung wirken kann. Die großen Consumer-Markenartikelhersteller arbeiten in dieser Hinsicht richtungsweisend. CRM gerät so in das Licht der strategischen Markenführung. Die Integration von Kundeninformationen und betrieblichen Aktivitäten wird im CRM vollzogen. CRM dient der Markenprofilierung.
Operatives Marketing
Teil 1: Kampagnen-Management
Der Trend in der Kundenansprache geht schon seit vielen Jahren in Richtung Individualisierung über klassische wie auch zunehmend über digitale Kanäle. „Den Kunden abholen, wo er steht“, diese Herausforderung gilt es, immer schneller und präziser zu erfüllen.
Die individualisierten wie auch die auf Massenansprache zielenden Kampagnen sollten nicht losgelöst von den vertrieblichen Aktionsschwerpunkten im luftleeren Raum schweben – und der Vertrieb im schlimmsten Fall gar nicht weiß, dass das Marketing wieder eine Kampagne fährt. Vielmehr unterstützen bei einer marketing-driven Company die Marketingaktionen die Zielkundenaktivitäten des Vertriebs. Umgekehrt richten die Vertriebsmitarbeiter ihre Kundenkontakte auf die Marketingstrategie hin aus.
Teil 2: Die Betreuung indirekter Kunden
Es ist ein Merkmal einer marketing-driven Company, dass nicht nur kaufende Kunden im Fokus von Marketing, Vertrieb und Service stehen, sondern auch die wichtigen nicht-kaufenden Kundensegmente: Partner, Empfehler, Meinungsführer, Beeinflusser, Gate-Keeper. Diese wichtigen Potenzialbeeinflusser werden von der klassischen umsatzgetriebenen Organisation oft übersehen. Denn die Verkäufer gehen lieber zu Bestandskunden, die ihnen die Incentives und Provisionen sichern.
Die indirekten Kunden sind vom Marketing nach einem strategischen Konzept aufzuspüren, zu entwickeln, zu betreuen und zu binden.
Das Marketing bearbeitet diese indirekten Kundensegmente im CRM – praktisch auf der Grundlage der gleichen Funktionalitäten, wie dies der Vertrieb bei den kaufenden Kunden tut.
Teil 3: Planung und Organisation von Messen und Events
Die Planung, Durchführung und Nachverfolgung von Messen, Events oder Seminaren mit Hilfe von MS-Excel ist out. Nur ein CRM-System bietet Marketing, Vertrieb und Service einen durchgehenden Prozess von der Auswahl und Ansprache von Messekontakten bis hin zur Kontaktauswertung und Nachverfolgung. Bei einer marketing-driven Company arbeiten Marketing und Vertrieb dazu Hand in Hand. Letztlich spielt das Marketing mit Hilfe der Steuerungsfunktionalitäten des CRM (Aufgaben, Termine, Wiedervorlagen, Workflows) dem Vertrieb die Kontaktprioritäten zu, die später wieder Umsatz bringen sollen. Damit sich eine Messebeteiligung lohnt!
Fazit: Die Kernidee zählt!
Egal, ob das Marketing nun den Vertrieb führt oder umgekehrt, eine Vertriebsstrategie kann nur dann seine volle Wucht entfalten, wenn auch die strategischen und operativen Aufgaben des Marketing hinsichtlich Transparenz, Funktionalitäten, Prozessen und Kennzahlen von einem CRM-System unterstützt werden. Es kommt nicht darauf an, wer wen führt, sondern es ist entscheidend, dass die Kernidee von CRM, nämlich die Daten- und Prozessintegration, verwirklicht wird.